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Der Weltraum

Österreich. Endliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2017. Dies sind die Abenteuer eines Amphibienfahrzeugs, das mit seiner ein Mann starken Besatzung seit 46 Jahren unterwegs ist, um das Land zu erforschen, das Leben und die Zivilisation. Gefühlsmäßig viele Lichtjahre von der Vernunft entfernt, dringt das Amphibienfahrzeug in Abgründe vor, die bestimmt schon viele Menschen zuvor gesehen haben.


Beginnen wir die heutige Etappe steirisch, in der Hauptstadt. Dort wurde gewählt. Dort bestätigt sich eindrucksvoll, dass die Hauptstadt nicht als solche aus einer Provinz herausragt, sondern lediglich durch eine höhere Bebauungsdichte als Stadt überhaupt definiert werden kann. Es ist eine tiefe Provinz mit einem höheren Asphaltquadratmeteranteil und wesentlich schlechterer Luftqualität als fast überall, außer Baku und Peking vielleicht. Bemerkenswert: Die kommunistische Partei, der man schwerlich Stalinismus oder sonstigen Unfug nachsagen kann, hält sich konstant bei 20 Prozent. Offenbar ohne lautes Gequatsche und Getöse, das würde man nämlich hören, sondern durch konsequente Arbeit und Nähe zur Bevölkerung. Daraus macht der österreichische Rundfunk, der uns die Wohnzimmerwände trotz stolzer Fernsehgebühren mit ausreichend Reklame und eher wenig Qualitätsfernsehen bunt streicht, eine populistische Linkspartei. Der blaue Kandidat outet sich gleich noch am Wahlabend als Mensch, der nicht verstehen kann, wie im 21. Jahrhundert eine kommunistische Partei gewählt werden kann. Um die Sprache des etwas rhetorikübercoachten blauen Bundespräsidentschaftskandidaten zu benutzen, mit den Freiheitlichen und der Demokratie ist es immer ein bisserl eigenartig, und sie haben eben ein paar Prozent weniger als die KPÖ, das nagt an der ohnehin dünnhäutigen Substanz. Mir stellt sich hier die Frage, wie im 21. Jahrhundert eine Partei gewählt werden kann, deren Gründungsmitglieder des Vorgängervereins VdU zu einem guten Teil aus Mitgliedern der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei bestand und deren Gedankengut so frisch und lebendig ist, als wäre es gestern gewesen.


Das legt uns eine Brücke ein paar Jahre zurück, als das Amphibienfahrzeug noch im südlichsten Bundesland unterwegs war. Diese Gegend war neben einem freiheitlichen und orangen Wirtschaftswunder immer schon für Kuriositäten zu haben. Prägend für den Kapitän des Amphibienfahrzeugs war in den 1980er oder 1990er Jahren folgende Geschichte: Eine zweisprachige Gemeinde wollte einen zweisprachigen Kindergarten (hurra!), ein freiheitlicher Gemeinderat hat dies beantragt (!!), eine roter Bürgermeister hat es abgelehnt (!!!). Noch Fragen? Zurück in die Gegenwart. Es gibt noch andere Parteien im Sizilien Österreichs und eine Landesverfassung. Aus selbiger sollte als Kernpunkt einer Erneuerung der Proporz gestrichen werden und außerdem die slowenische Volksgruppe erwähnt werden. War bis dato alles besprochen, doch halt: Ein aus Vorarlberg importierter Forstwirt, nunmehriger Großgrundbesitzer und Obmann der Kärntner ÖVP, die bei den letzten Landtagswahlen ganze 14 Prozent erreicht hat, sieht das aus dem Bauchgefühl der Bevölkerung verdammt sensibel und will Verbindendes vor Trennendes stellen, was im Originalzitat so heißt: "Nein, ich mache keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Kärntnern." Aber! Übersetzt wird also vor lauter zu wenig Sensibilität ein Veto eingelegt. Wem gegenüber hier die Sensibilität nicht ausreicht, sagt das Bauchgefühl, wenn man in die Region hineinhört: "Wenn mir ein Bürger sagt, es kann doch nicht sein, dass ein einsprachiger Kärntner keinen Job mehr bekommt in der Region, ja dann muss hier gehandelt werden, und dies wird befeuert, und wir sollten dieses Befeuern herausnehmen, weg vom Gas und hier eine einende Lösung finden." Was hier trennt, was eint und was befeuert wird, verrät er uns leider nicht so genau, es müsste also mit dem Amphibienfahrzeug einmal das Land für 200 oder 300 Jahre besucht werden, um das Bauchgefühl zu begreifen, wir haben Zeit. Ich bin mir sicher, dass auch innerhalb der Partei sehr viele Leute sich herzlich über diese Debatte freuen. Es gibt ja nur eine ausgewachsene Regierungskrise, da ist es hilfreich, wenn ein durchdachter und absolut bereichernder Beitrag zur Befindlichkeit der Bundesländer serviert wird. Der Witz von Lukas Resetarits ist ein zeitloser, aber eigentlich ist es ja gar kein Witz: "Håst gheat, in Kärnten san die Urtståfln varuckt wurn." "Wos, dee aah?" Jedenfalls bestätigt es den vor vielen Jahren gewonnenen Eindruck, dass Kärnten gar keine Unguided Missiles aus der offiziell rechts aussen stehenden Partei braucht, es macht sich auch so regelmäßig parteiübergreifend zum Trottel.


Kehren wir zurück in die grüne Steiermark, wo eines der bemerkenswertesten Kunstwerke der letzten Jahre auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums gestellt wird. Der regierende Bürgermeister wird ein viertes Mal den Thron besteigen. Die Koalitionsverhandlungen erweisen sich laut Presse und Medien als die schwierigsten, eines aber weiß das gesinnungsgefestigte Stadtoberhaupt ganz genau: Mit der KPÖ niemals. Warum sollte es auch in Graz anders als im restlichen Österreich sein, wo man, wenn noch niemand eine Ahnung hat, wie es weitergehen könnte, zumindest ganz genau weiß, wie es nicht weitergehen wird, das ist doch schon ein konstruktiver Ansatz. Schon längst gehört das Dach des Uhrturms abgeschraubt und ein Lodenhut draufgesetzt, aber kein grüner, das passt nicht zur Luftqualität. Ein brauner wäre schlüssig. Auch wenn die Koalitionsverhandlungen noch laufen und angeblich schwierig sind, gibt es jetzt und wohl schon länger eine offensichtliche Gemeinsamkeit zwischen schwarz und blau: Die Fassungslosigkeit darüber, dass in ihrem schönen, reaktionären 21. Jahrhundert, in dem sich auch die USA endlich wieder zu wahrer Größe bekennen, ausgerechnet in der Stadt der Volkserhebung eine kommunistische Partei Erfolg hat. Der eine kann es nicht verstehen, so wie vieles andere wohl auch nicht, und der andere wird kraft seiner Macht mit allen Mitteln zu verhindern suchen, dass die KPÖ den Vizebürgermeisterposten bekommt.


Steigen wir ins Amphibienfahrzeug und schippern wo anders hin. Die Mur hinunter. So lange es halt noch geht, hier werden in Graz bereits Bäume gefällt für ein offenbar mehr als fragwürdiges Wasserkraftwerk. Vielleicht, damit in Graz irgendetwas sauber ist, wenigstens der Strom. Es rechnet sich aber eher mäßig gut, ist zu vernehmen, genau gesagt ist es sowohl ein ökonomisches als auch ein ökologisches Desaster. Anscheinend war dieses Kraftwerk die treibende Kraft für Neuwahlen. Zusammenfassend war es offenbar so, dass die KPÖ schlicht und einfach an Prinzipien festgehalten hat. Was wurde ihr nachgesagt, dass sie bei den Wahlen die Rechnung präsentiert bekämen! Die SPÖ? Hat sich angebiedert, ebenso wie die FPÖ, beide haben das Bauvorhaben unterstützt. Die Rechnung hat in erster Linie die SPÖ in Form einer Tracht Prügel bekommen, die sie sogar aus dem Stadtsenat fliegen lässt, die FPÖ in Form eines zu geringen Zugewinns, um die KPÖ zu überholen.


Damit sich niemand über all diesen Wahnsinn öffentlich Luft machen kann, hat das Land Österreich einen Rettungsdienst in Form eines Innenministers, der gerne hätte, dass Demonstrationen nur mehr dann stattfinden dürfen, wenn ihm danach ist. So klären und erklären sich die Dinge, wenn das Amphibienfahrzeug ratlos auf der Suche nach Zivilisation endlich Licht am fernen Horizont erahnt. Es ist aber kein Leuchtturm, es ist nur der Nebel, der sich lichtet. Es ist kein Leuchtturm zu finden. Und es erhärtet sich der Verdacht, dass die Leuchttürme abgerissen wurden. Am Ende trifft das Amphibienfahrzeug in den Klagenfurter Sümpfen gar auf den leibhaftigen Lindwurm. Lindworm in the mist. Man sollte beim Durchqueren dieses Landes immer einen Ochsen dabei haben, falls man in den sumpfigen Gegenden hungrigen Lindwürmern begegnet. Am besten einen Hornochsen, der funktioniert wie ein Angelhaken, und schwupp ist der Lindwurm gefangen. In Kärnten muss es genug davon geben, gab es doch nur einen einzigen bedrohlichen Lindwurm, und dessen Schicksal ist bekannt und stellvertretend für alle anderen Lindwürmer. In der Steiermark waren die Lindwürmer offenbar nicht einmal ein diskussionswürdiges Thema.



Photo: copyright Walter Schaidinger

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[Artikel/Walter Schaidinger/14.02.2017]





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